Der ausgewaschene Idiotismus

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John Doe steht wie jeden Tag mit einem großen Coffee to Go an der Ecke Van Nesse / Market Street. Während er auf das nächste Cable Car wartet, nimmt er einen Schluck und wandert hinüber zu den kleinen, grünen Kästen. In diesen News Boxes liegen die Zeitungen aus. Doch an diesem Tag ist der Kasten leer. John wird leicht nervös, ein mulmiges Gefühl überkommt ihn. Vielleicht nur der Kaffee. Er läuft ein paar Meter weiter und erinnert sich an den kleinen Newsstand an der nächsten Ecke. Dieser hat geschlossen. Verärgert macht sich John auf den Weg zurück zur Bahn.

An diesem Tag gibt es keine Zeitung für ihn. In ganz San Francisco. Auch am nächsten Tag ist der Kasten leer – und nicht nur der: Auf der Arbeit gab es keinen seiner Mitarbeiter, der eine Zeitung las. Die Straßencafés führen keine Zeitungen mehr, wie man ihm sagte. Alle Kioske sind leer von Zeitungen. Warum das alles? Weil Dr. Kai Burkhardt des Instituts für Medien & Kommunikationspolitik in Berlin das sagt.

Denn laut dem Doktor, „gibt es sogar sehr große Regionen, wie etwa San Francisco, wo es gar keine Zeitungen mehr gibt.“ Eine gewagte These, wenn man bedenkt, dass San Francisco gut achthunderttausend Einwohner und viele Studenten hat. Wenn man die Zahl auf die Region, also die Bay Area ausweitet, kommt man auf acht Millionen Menschen. Laut Herrn Burkhardt alle zeitungslos, schutzlos den Umtrieben der „Machthaber“ ausgeliefert: „Da nähert man sich dann fast wieder feudalen Verhältnissen an, wo die örtlichen Machthaber im Grunde genommen machen können, was sie wollen. Völlig unbeobachtet.“ (ab 8.35 in diesem Teilvideo)

Wochen vergehen und John Doe weiß nicht mehr, was um ihn herum passiert. Gesetze wurden erlassen, die keiner kommen sah und kennt, denn es gibt keine Zeitungen mehr, die darüber hätten berichten können. Woher sollten die Does und ihre Nachbarn jetzt auch ihre Nachrichten beziehen? Im Zeitalter von iPod und Netbook keine leichte Aufgabe. Die Cable Cars werden neuerdings von Menschen gezogen, die von wild peitschenden Kommunalpolitikern angetrieben werden. Auch Kaffee gibt es für John nicht mehr jeden Tag – der ist zu teuer geworden.

Der Himmel über San Francisco hat sich verdunkelt, die Newsstands sind nur noch Ruinen und die Boxen, in denen einst die Zeitungen auslagen, sind zu Rattennestern geworden. „Wie konnte das nur passieren“, fragt sich nicht nur John. „Wenn sie niemand mehr vor Ort haben, der das professionell betreibt, haben sie natürlich ein Problem“, sagt Dr. Kai Burkhardt und meint den Journalismus, genau genommen die Berichterstattung über die Politik.

Dr. Kai Burkhardt äußert diese gewagte These in der Selbstbeweihräucherung des, um es mit Tengoinfos Worten zu sagen, „Stelldichein des deutschen Infokrieges“. Er tritt in der Produktion „Die Ware Wahrheit“ (ReWASH TV) auf und gesellt sich zu solch illustren Gästen wie Freakman, Benesch und anderen Gestalten wie Blecker oder Neun, respektiv von infokindernews.de und Radio Schwachsinn.

Mir sind Herr Burkhardt, wie auch eine Frau Prof. Dr. Barbara Pfetsch des Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft der FU-Berlin, bisher unbekannt geblieben. Vielleicht kamen sie mir deshalb etwas komisch vor. Ich muss zwar nicht jeden Idioten der traurigen Infokinderszene kennen und ein Titel schützt nicht vor Dummheit, aber die beiden erscheinen mir einfach nicht dazugehörig. Darum hab ich die beiden einmal angemailt und halte meine (bestimmt!) 35 Leser natürlich auf dem Laufenden.

18 Antworten to “Der ausgewaschene Idiotismus”

  1. FZG Says:

    Diese Doku ist unheimlich erfolgreich!!11

    Hauptvertriebsweg ist ja YouTube, Suchergebniss von dort siehe hier:
    http://tinyurl.com/5r22448

    Da sind also mindestens 3 Versionen am Start, die von Rewash.tv hat – in einem Monat – gerade mal ca. 26.000 Aufrufe (und nur 8.000 haben es bis zum Ende gesehen). Die anderen Versionen sind alle unter weit unter 1000 Views.

    Ein Bombenerfolg!!!!

    …aber doch ein bischen wenig, wenn man an andere Yuotube-Filmchen denkt… Will die Welt doch nicht die Augen geöffnet bekommen?

    Vielleicht kann man ja auf den Illegalen Raubkopierer-Seiten damit noch „was reissen“, denn jetzt gibt´s ein Scene-Release. Wo das auf den Virtuellen Grabbeltisch, neben den Rip von 1,49-Euro-DVDs von Amazon-Ladenhütern schon angekommen ist, siehe hier:
    http://tinyurl.com/6y2pd8t

    • mrbaracuda Says:

      Dieser m3zz ist echt, äh, total irre. Das erinnert mich, dass der Interviewee von oben mir noch nicht geantwortet hat. Vielleicht ist’s ihm peinlich, wo er da reingeschlittert ist.

  2. Leonie Says:

    Hallo mrbaracuda!
    Ist auf jeden Fall unterhaltsam, was du hier so treibst, auch wenn ich inhaltlich nicht immer mit dir übereinstimme.
    Ich habe bis auf diesen kleinen Verweis hier gar keine Kritik zu Radio Utopie auf diesem Blog gefunden. Woran liegts?
    Ich wär schon stark interessiert an einem Beitrag, der diese untypische Truth-Seite auseinander nimmt.
    Vielen Dank im voraus!

    • mrbaracuda Says:

      Radio Utopie ist selbst mir zu gruselig. Oder zu langweilig. Such dir was aus. Ist am Ende doch eh überall der gleiche Unfug. Neun ist nur irgendwie auf seine eigene Art noch widerlicher, als die anderen.

  3. freebeer Says:

    die aussage von diesem Burkhardt ist mir auch aufgefallen…wenn man aber weiter zuhört, dann bezieht er seine vorherige aussage auf „das fehlen von regionalen u. unabhängigen zeitungen in san francisco“, oder sehe ich das falsch?

    • mrbaracuda Says:

      Ich habe mich mit ihm ausgetauscht und er sagte, das Interview sei ca. zwei Jahre alt. Zu der Zeit sah es tatsächlich so aus, als wäre die größte Tageszeitung SFs vor dem Aus.

  4. MB Says:

    Ich habe zu dem Interview beim dicken Pleitegeier nachgefragt, wie eigentlich die Asylantragsbilanz zwischen dem Land der Freien (Iran) und Europa aussieht. Es müsste doch eigentlich eine Massenflucht aus Europa in den Iran stattfinden. Leider wurde mein Kommentar nicht veröffentlicht.

  5. Rocky Says:

    @ mrbaracuda
    Hast du schon das neuste journalistische Glanzstück gesehen? Freakman macht ein Interview mit dem iranischen Botschafter. Bei den sehr kritischen Fragen von Freakman muss der Herr Botschafter ganz schön ins schwitzen kommen. 😉
    http://alles-schallundrauch.blogspot.com/2011/01/interview-mit-dem-botschafter-des-iran.html

    • mrbaracuda Says:

      Ja. Irgendwann musste ich wegen Brechreiz aufhören zu lesen. Das ganze liest sich in Teilen so, als hätte Freakman selbst Feder geführt.

    • Patrizia Says:

      Der Össi-Faschist Petritsch ist Teil der „Jubelperser – Garde“ 😦 … wer würde denn sonst bei uns in der Schweiz, einen iranischen Menschenschinder, pardon Botschafter, versuchen mit Wohlfühlfragen ins richtige Licht zu setzen ? … dazu bedarf es des widerlichen Petritsch.

      • freebeer Says:

        na patrzia, is nich dein typ, der schinder…also den in unserer brd is aber ganz kuschelig 😉

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